Warum Solidarität, Sichtbarkeit und politische Unterstützung für die LGBTQIA+ Community wichtiger sind denn je
Published: 19.04.2025

Zwischen Stolz und Sorge

Die Zeiten ändern sich – und mit ihnen auch die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich die LGBTQIA+ Community gegenüber sieht. Während in einigen Ländern der Welt durch den Einsatz von Aktivist*innen und der zunehmenden Akzeptanz von Vielfalt viele Erfolge erzielt wurden, erleben wir gleichzeitig einen gefährlichen Rollback: Die Rechte von queeren Menschen werden untergraben, ihre Existenz in Frage gestellt und ihre gesundheitliche Versorgung zunehmend eingeschränkt.

Besonders drastisch wird dieser Rückschritt in den USA unter der Regierung von Donald Trump, in Russland, wo immer weiter Repressionen gegen die LGBTQIA+ Community durchgesetzt werden, und in Ungarn, wo die Regierung mit gezielten Maßnahmen die Rechte von queeren Menschen zunehmend einschränkt. Diese Entwicklungen stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Rechte und das Wohlbefinden von Millionen von Menschen dar.

Als GLAY – der Gay and Lesbian Asociados del Yumbo auf Gran Canaria – sehen wir diese Bedrohungen mit Besorgnis. Wir wissen um die Bedeutung von Zusammenhalt, Sichtbarkeit und Solidarität, um nicht nur die bestehenden Rechte zu verteidigen, sondern auch neue zu erkämpfen. Unser täglicher Einsatz für die LGBTQIA+ Community zeigt uns: Unsere Herausforderungen sind miteinander verbunden.

Christopher Street Day – Eine Geschichte des Widerstands

The only known photograph taken during the first night of the riots, by freelance photographer Joseph Ambrosini, shows LGBTQ youth scuffling with police

Die Wurzeln unserer heutigen Pride-Bewegung liegen im Jahr 1969, als in der Christopher Street in New York City queere Menschen zum ersten Mal laut und sichtbar auf die Straße gingen. Die sogenannte Stonewall-Aufstand war ein Widerstand gegen die willkürlichen und oft brutalen Polizeirazzien, die queere Bars, insbesondere das Stonewall Inn, heimsuchten. Was als spontaner Aufstand begann, entfaltete sich zu einem nationalen und globalen Aufbegehren, das als Christopher Street Day (CSD) bekannt wurde.

Zu den mutigen Persönlichkeiten, die sich in dieser Nacht widersetzten, gehörten insbesondere Drag Queens, Transgender-Personen, queere People of Color und obdachlose Jugendliche – unter ihnen die Ikonen Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera. Diese Männer und Frauen gingen voran, um für die Rechte aller queeren Menschen zu kämpfen und eine neue Ära des Widerstands zu begründen. Die ersten CSD-Veranstaltungen waren ein Akt der Sichtbarkeit und des Protests gegen die unsichtbare Unterdrückung. Heute ist der CSD, bzw. Pride weltweit ein Symbol für die Forderung nach Gleichberechtigung, Toleranz und Akzeptanz.

Video “Gay and Proud” – a 1970 film by Lilli Vincenz documenting the first Christopher Street Liberation Day

 

Doch auch wenn die Pride-Veranstaltungen zunehmend eine Feier der Vielfalt und des Stolzes sind, bleibt der CSD auch weiterhin ein politischer Akt, der auf die anhaltende Diskriminierung und die Bedrohung queerer Rechte hinweist.

Gran Canaria: Vom Aktivismus zur Community-Stärke

Als GLAY auf Gran Canaria haben wir uns seit unserer Gründung intensiv dafür eingesetzt, einen sicheren und sichtbaren Raum für die LGBTQIA+ Community zu schaffen, und tun dies noch immer. Im Jahr 2002 organisierte GLAY gemeinsam mit dem Ayuntamiento de San Bartolomé de Tirajana die erste Pride-Parade in Maspalomas – einen kleinen, aber bedeutenden Schritt in der Geschichte des queeren Aktivismus auf den Kanarischen Inseln. In den Jahren seitdem hat sich Maspalomas zu einem der bekanntesten Reiseziele für LGBTQIA+ Menschen entwickelt. Die jährliche Maspalomas Pride ist mittlerweile eine der größten Pride-Veranstaltungen in Spanien, bei der mittlerweile Besucher*innen aus der ganzen Welt teilnehmen.

Trotz der Tatsache, dass wir als GLAY nicht mehr direkt in die Organisation der Veranstaltung eingebunden sind, unterstützen wir die Pride und ihre verschiedenen Initiativen weiterhin mit aller Kraft und sorgen mit unserem Pride Safety Guid dafür, dass sich Besucher sicher fühlen und Hilfe erhalten können. Denn es geht nicht nur um eine Party – es geht um ein klares Zeichen der Solidarität und des Stolzes, das wir als Gemeinschaft aufrechterhalten müssen.

Die Pride-Veranstaltungen sind nicht nur eine Gelegenheit zur Feier, sondern auch ein Moment, in dem wir den Blick auf die sozialen und politischen Kämpfe werfen, die immer noch bestehen – sowohl hier auf Gran Canaria als auch weltweit. Die Sicherheit, die Sichtbarkeit und das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Identität sind zentrale Themen, die uns nach wie vor antreiben.

USA 2025: Rückschritte statt Fortschritt

Mit der erneuten Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten erleben wir einen dramatischen Rückschritt in der queeren Rechtspolitik. Die Trump-Administration hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die das Leben von LGBTQIA+ Menschen in den USA direkt gefährden:

  1. Abschaffung von HIV-Programmen: Das „Ready, Set, PrEP“-Programm, das kostenlosen Zugang zu Medikamenten zur HIV-Prävention gewährte, wurde beendet. PrEP ist eine lebensrettende Maßnahme, um das Risiko einer HIV-Infektion bei gefährdeten Gruppen zu senken. Diese Entscheidung bedeutet, dass Millionen von Menschen ohne Zugang zu einer der wichtigsten Maßnahmen zur Verhinderung der HIV-Übertragung zurückgelassen werden.
  2. Streichung von Zuschüssen für HIV-Forschung: Zahlreiche Bundeszuschüsse, die bisher für die Forschung im Bereich HIV und AIDS verwendet wurden, wurden drastisch gekürzt. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die medizinische Versorgung und die Forschung zu HIV-Prävention, Behandlung und Heilung.
  3. Feindselige Gesetzgebung gegenüber queeren Menschen: Neben diesen gesundheitlichen Rückschritten wurden weitere gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht, die die Rechte von LGBTQIA+ Menschen weiter einschränken. Gesetze gegen Transpersonen, die Diskriminierung in öffentlichen Einrichtungen legitimieren, sowie die Einschränkung von LGBTQIA+ Bildungsangeboten in Schulen sind nur einige der besorgniserregenden Entwicklungen.

Diese Maßnahmen gefährden nicht nur die Gesundheit von LGBTQIA+ Menschen, sondern auch ihre Rechte auf ein gleichberechtigtes Leben. Die Entscheidung der Regierung, HIV-Prävention und -Forschung zu streichen, ist besonders alarmierend, da sie einen direkten Rückschlag in der Bekämpfung der HIV-Epidemie bedeutet.

Russland: Die systematische Auslöschung queerer Sichtbarkeit

In Russland verschärfen sich die Repressionen gegen die LGBTQIA+ Community dramatisch. Die Putin-Regierung setzt ihre restriktive Politik fort, die darauf abzielt, jede Form von positiver Darstellung oder Unterstützung von LGBTQIA+ Themen im öffentlichen Raum zu verhindern. Besonders dramatisch ist das 2022 verabschiedete „LGBT-Propaganda-Gesetz“, das nicht nur die Rechte von LGBTQIA+ Personen stark einschränkt, sondern auch das öffentliche Leben stark beeinflusst:

In Russland ist die Verfolgung queerer Menschen so weit fortgeschritten, dass immer mehr LGBTQIA+ Personen in die Untergrundszene fliehen oder ins Ausland auswandern müssen, um ihre Identität nicht zu gefährden.

Ungarn: Repressionen innerhalb der EU

Nicht nur außerhalb Europas gibt es besorgniserregende Entwicklungen. Auch in der EU, und speziell in Ungarn, werden die Rechte von LGBTQIA+ Menschen zunehmend infrage gestellt. Die Regierung von Viktor Orbán verfolgt eine systematische Politik der Homophobie, die mit verschiedenen rechtlichen Schritten die Rechte queerer Menschen stark einschränkt:

  1. Verbot der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare: Das ungarische Parlament hat 2020 ein Gesetz verabschiedet, das gleichgeschlechtliche Paare vom Recht auf Adoption von Kindern ausschließt. Das Gesetz stellt queere Paare unter Druck, ihre Familiengründung aufzugeben und verstärkt den gesellschaftlichen Druck auf Mitglieder der LGBTQIA+ Community.
  2. Zensur von LGBTQIA+ Themen in der Öffentlichkeit: Im Jahr 2021 führte die ungarische Regierung ein Gesetz ein, das LGBTQIA+-Propaganda in Schulen und Medien verbietet. Inhalte, die „die sexuelle Orientierung fördern“, wurden verboten. Es geht sogar so weit, dass Filme und Werbung, die queere Themen behandeln, aus dem öffentlichen Raum verbannt werden, was die Sichtbarkeit von LGBTQIA+ Menschen stark einschränkt.

Dieses Vorgehen stellt einen schwerwiegenden Rückschritt in den Grundrechten innerhalb der Europäischen Union dar und hat internationale Proteste hervorgerufen.

Aber es gibt ein Leuchtfeuer der LGBTQIA+ Rechte: Spanien

Während die politischen Entwicklungen in den USA, Russland und Ungarn beunruhigend sind, bietet Spanien ein leuchtendes Beispiel dafür, wie fortschrittliche Gesetzgebung und gesellschaftliche Akzeptanz zu einer positiven Veränderung führen können.

  • Ehe für alle: Seit 2005 ist die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Spanien gesetzlich anerkannt. Diese Gesetzgebung stellte einen großen Fortschritt im Bereich der Rechtsgleichstellung dar und gab queeren Paaren die gleiche rechtliche Anerkennung wie heterosexuellen Paaren.
  • Transrechte: Spanien ist eines der wenigen Länder, das die Rechte von Transgender-Personen umfassend schützt. Trans Personen haben das Recht auf eine geschlechtsaffirmierende Gesundheitsversorgung und können ihren Geschlechtseintrag ohne medizinische Vorgaben ändern lassen.
  • Schutz vor Diskriminierung: Darüber hinaus bietet Spanien umfassenden rechtlichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, was es zu einem sichereren Ort für LGBTQIA+ Menschen macht.

Besonders die Kanarischen Inseln – und hier besonders Gran Canaria – haben sich als wichtige LGBTQIA+ Reiseziele etabliert. Die Maspalomas Pride ist eine der größten und bekanntesten Pride-Veranstaltungen in Spanien, die jährlich Zehntausende Besucher*innen aus aller Welt anzieht.

GLAY: Für eine solidarische und sichere Zukunft

Wir bei GLAY sind uns bewusst, dass die aktuellen Entwicklungen weltweit große Herausforderungen für die LGBTQIA+ Community mit sich bringen. Aber wir wissen auch: Zusammenhalt ist der Schlüssel. Es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen und sichtbar bleiben. Nur durch Solidarität, Sichtbarkeit und aktive Teilnahme können wir die Rückschritte, die wir erleben, überwinden und eine Zukunft schaffen, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität – gleichberechtigt leben können.

In Maspalomas, Gran Canaria, organisieren wir weiterhin Veranstaltungen und bieten eine sichere Anlaufstelle für die LGBTQIA+ Community. Und wir werden nicht aufhören, uns für Rechte, Gesundheit und Akzeptanz weltweit einzusetzen.

Fazit: Wir geben nicht auf – wir werden lauter!

Die Rechte der LGBTQIA+ Community weltweit stehen auf der Kippe. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Der Weg zu Gleichberechtigung mag lang sein, aber der Zusammenhalt, den wir weltweit zeigen, macht uns stark. Gemeinsam können wir für eine bessere, sicherere und gerechtere Zukunft kämpfen – für uns selbst und für alle, die nach uns kommen.

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